Meine liebe Leni!
An unserem heutigen 25. Hochzeitstag erfüllte sich mit schmerzlicher Wehmut, statt der erhofften schönen Familienfeier in der Heimat diesen Tag fern von dir und den Kindern mit trüben Gedanken hinter Stacheldraht verbringen zu müssen. Und immer noch sehe ich keine Aussicht, in absehbarer Zeit zu euch zurückkehren zu können. Es gehört schon viel Energie dazu, den Mut nicht sinken zu lassen, wenn ein Tag nach dem anderen ohne Hoffnung dahinschleicht. Ich kämpfe aber mit aller Macht gegen die allgemeine Depression und rede mir immer ein, dass nun besonders uns Alten, die sich weder in militärischer noch politischer Hinsicht etwas haben zu Schulden kommen lassen, nicht noch einen zweiten Winter von dem sich, solange hinausgezögerten Wiederaufbau Deutschlands fernhalten kann, wodurch jetzt in der Heimat jeder kräftige, gesunde Mann, vor allem Schlüsselkräfte in der Bauwirtschaft, zu denen ich mich mit Fug und Recht zählen kann, so dringend gebraucht wird. Ich habe es aufgegeben, mir einen Vers auf die nicht nur mir allein unerklärliche Politik der Zurückhaltung der nicht arbeitseinsatzfähigen Kriegsgefangenen zu machen. Aber ich will dir nicht das Herz schwer machen, denn du leidest unter der Trennung nicht minder wie ich. Es tut aber ganz gut, seinem Herzen einmal Luft machen zu können.
Schließlich gibt es ja zuweilen auch noch Lichtblicke wie die glückliche Heimkehr Hansis, deren eigentlicher Hintergrund mir immer noch nicht ganz klar ist, da die darüber aufklärenden Briefe noch nicht eingetroffen sind.
Ich will und kann aber keinen weiteren Tag diesen Brief hinhalten, da ich sonst Gefahr laufe, dass er verfällt. Darauf will ich es aber auf keinen Fall ankommen lassen, zumal doch heute ein großer Tag für uns ist. Ich kann dir in meinem offenen Brief nicht all das schreiben, was ich dir so gerne als Ausdruck meiner Liebe und meines Dankes sagen möchte und muss es daher bis zur Rückkehr aufschieben. Allein, wir brauchen uns das gar nicht zu sagen, denn wir fühlen und empfinden das was uns so innig und untrennbar miteinander viel tiefer, reiner und besser, als sich zu Worten überhaupt ausdrücken lässt. Wir können uns beide als schönes Silberhochzeitsgeschenk nur das eine wünschen, dass das Schicksal sich mit gütigem Gesicht mir eines Tages wieder zuwendet und uns mit den Kindern wieder glücklich vereint.
In diesem Sinne Grüße und Küsse an dich und die Kinder in unvergänglicher Liebe
Dein Fritz