Ablenkung
Geschichten

Zeitfresser

Ich lebe in einer Stadt, die niemals schläft. Umgeben von funkelnden Lichtern und einem Geräusch, das wie ein unaufhörlicher Gesang in der Luft schwebt.
Mehr und mehr habe ich das Gefühl, in einem endlosen Strudel von Aktivitäten und Ablenkungen gefangen zu sein. Ich bin ständig beschäftigt und habe das Gefühl, nie zum Ende zu kommen. Es gibt so viel zu tun. Die Zeit für die wesentlichen Dinge des Lebens scheint mir immer mehr zu entgleiten.
Eines Tages sehe ich einen alten Mann auf einer Bank sitzen. Dieser Mann ist anders als die anderen, die hastig vorbeieilen. Sein Blick ist ruhig und sein Lächeln strahlt eine Wärme aus, die die innere Kälte zu vertreiben scheint. In seinen Händen hält er einen kleinen, handgefertigten Kompass, der im Schein der Lichter funkelt.
»Ich wünsche dir einen schönen Abend, junger Freund«, sagt der alte Mann mit einer sanften Stimme, die wie Musik in meinen Ohren klingt. Überrascht von seiner Freundlichkeit, setze ich mich neben ihn. »Warum hältst du diesen Kompass in der Hand?« frage ich neugierig und spüre, wie die Hektik um uns herum verstummt.
Der alte Mann lächelt und reicht mir den Kompass. »Dieser Kompass zeigt nicht nur nach Norden, sondern auch in die Richtung deines Herzens. In der Hektik dieser Stadt kann man leicht das Wesentliche aus den Augen verlieren. Wenn du dich verloren fühlst, folge dem Weg deiner Träume.« Ich halte den Kompass in meinen Händen und spüre, wie eine Welle von Energie durch mich hindurch strömt. Ein Gefühl des Friedens umgibt mich und für einen kurzen Moment scheint die Welt still zu stehen. Der Lärm der Stadt, die Hektik und der Druck, alles erledigen zu müssen, verblassen.
Der alte Mann nickt, als wüsste er, dass er seine Arbeit getan hat. Ohne ein weiteres Wort erhebt er sich und verschwindet in der Dunkelheit der Stadt, aber sein Lächeln bleibt in meinem Herzen haften.
Ich sitze noch lange auf der Bank, den Kompass fest umklammert. Erst jetzt bemerke ich, dass der alte Mann den Kompass vergessen hat. In meiner Hand spüre ich die glatte Oberfläche und ein seltsames Gefühl macht sich in mir breit. Plötzlich vibriert der Kompass. Erstaunt schaue ich ihn an. Die Nadel, die vorher ruhig nach Norden zeigte, bewegt sich sanft hin und her, als wolle sie mir etwas mitteilen. Ich halte den Atem an und beobachte, wie die Nadel plötzlich in eine andere Richtung zeigt. »Was willst du mir sagen?«, frage ich leise, als ob der Kompass mir antworten könnte. In diesem Moment überkommt mich ein Gefühl der Entschlossenheit. Ich stehe auf und folge der Richtung, die der Kompass mir zeigt. Bei jedem Schritt spüre ich, wie er mich leitet. Er führt mich durch die belebten Straßen, vorbei an den Menschen, die mit ihren eigenen Geschichten und Sorgen beschäftigt sind. Die Nadel zieht mich wie ein Magnet. Ich vergesse die Zeit um mich herum.
Nach einer Weile halte ich vor einem kleinen, versteckten Park, der zwischen den hohen Häusern liegt. Ich gehe hinein und setze mich auf eine Bank. Die Lichter der Stadt scheinen hier sanfter und ein Gefühl der Geborgenheit umgibt mich. Ich bemerke, dass die Kompassnadel auf ein verwittertes Holzschild zeigt, auf dem das Wort »Traumort« steht.
Neugierig schaue ich mich um. Zeit und Raum scheinen hier eine andere Bedeutung zu haben. Ich schließe die Augen und lasse den Zauber auf mich wirken. In diesem Moment wird mir bewusst, dass ich mein Leben selbst in der Hand habe und dass es an mir liegt, die Dinge zu wählen, die wirklich zählen.
Der Kompass in meiner Hand wird zu einem Symbol für meine inneren Weg. Ich weiß, dass ich, egal wo ich bin, immer den Weg finden kann, der mich zu mir selbst führt.
Diese einfache, aber tiefe Weisheit habe ich vorher nicht gesehen. In all der Hektik habe ich endlich einen Moment der Klarheit gefunden, dass es nicht nur um das Streben nach den äußeren Zielen geht, sondern auch um das Hören auf die leisen Töne des Herzens.


Vielen Dank für die Veröffentlichung meiner Geschichte Zeitfresser auf #kkl.
Ich habe mich sehr darüber gefreut.

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ÜberBritta Pape

Mein Name ist Britta Pape. Ich bin am 27.8.1963 in Dortmund geboren.
(Gelernte Bankkauffrau, verheiratet, vier Kinder, Geschäftsführerin einer Firma.) Die Tagebücher meines Opas aus dem Zweiten Weltkrieg haben mich inspiriert selbst zu schreiben.
Einige Gedichte zu Themen, die mich bewegen veröffentliche ich auf meinem Blog Gedankenmelodie.de

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